Hessischer Jugendring
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Paragraf 8a

Was steht drin?

§8a SGB VIII – Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen und, sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist, sich dabei einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner unmittelbaren Umgebung zu verschaffen. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig so hat es diese den Erziehungsberechtigten anzubieten.
(2) Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen; dies gilt auch, wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.
(3) Soweit zur Abwendung der Gefährdung das Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei notwendig ist, hat das Jugendamt auf die Inanspruchnahme durch die Erziehungsberechtigten hinzuwirken. Ist ein sofortiges Tätigwerden erforderlich und wirken die Personensorgeberechtigten oder die Erziehungsberechtigten nicht mit, so schaltet das Jugendamt die anderen zur Abwendung der Gefährdung zuständigen Stellen selbst ein.
(4) In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass
1. deren Fachkräfte bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdungseinschätzung vornehmen,
2. bei der Gefährdungseinschätzung eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzugezogen wird sowie
3. die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche in die Gefährdungseinschätzung einbezogen werden, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.
In die Vereinbarung ist neben den Kriterien für die Qualifikation der beratend hinzuzuziehenden insoweit erfahrenen Fachkraft insbesondere die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte der Träger bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich halten, und das Jugendamt informieren, falls die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann.
(5) Werden einem öffentlichen Träger gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sind dem für die Gewährung von Leistungen zuständigen örtlichen Träger die Daten mitzuteilen, deren Kenntnis zur Wahrnehmung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a erforderlich ist. Die Mitteilung soll im Rahmen eines Gespräches zwischen den Fachkräften der beiden örtlichen Träger erfolgen, an dem die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche beteiligt werden sollen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

Was bedeutet das?

Der Paragraf richtet sich in erster Linie an den öffentlichen Träger der Jugendhilfe und damit in der Regel das Jugendamt. Er präzisiert die Wahrnehmung des Schutzauftrags des freien Trägers.
Auch bisher schon musste das Jugendamt mit den freien Trägern von Einrichtungen und Diensten Vereinbarungen darüber treffen, wie diese ihren Schutzauftrag in Bezug auf das Kindeswohl wahrnehmen. Der Abschluss dieser Vereinbarungen war ein langwieriger Prozess.
Im Gegensatz zur bisherigen Regelung des § 8a Abs.2 a.F. sieht § 8a Abs.4 n. F. nun feste Handlungsschritte auch beim freien Träger vor.
Der freie Träger muss demnach:
• Gewichtige Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung wahrnehmen
• Zur Einschätzung der Gefährdung die Beratung einer insoweit erfahrenen Fachkraft heranziehen
• Bis zur Grenze der Schutzzweckgefährdung die Kinder/Jugendlichen und die Erziehungsberechtigten einbeziehen
• Und auf Hilfsangebote hinweisen und zu deren Inanspruchnahme hinwirken.
• Wenn eine Einbeziehung der Kinder/Jugendlichen und der Erziehungsberechtigten nicht erfolgversprechend ist oder die Gefährdung durch eine Einbeziehung erhöht wird oder aber eine Gefährdungseinschätzung aus sonstigen Gründen nicht zuverlässig erfolgen kann, ist das Jugendamt zu informieren, damit dort der Schutzauftrag entsprechend wahrgenommen werden kann.

Dem freien Träger wird durch die Neuregelung ein klarer Verantwortungsbereich übertragen. Es ist daher erforderlich, die beschäftigten Fachkräfte grundsätzlich im Umgang mit Kindeswohlgefährdungen zu schulen, insbesondere auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Beratung durch die insoweit erfahrenen Fachkräfte hinzuweisen und ein Konzept für den Umgang mit Kindeswohlgefährdungen bereitzuhalten und zu etablieren.

Auswirkungen auf die Jugendverbandsarbeit

Die Auswirkungen und Veränderungen dürften recht gering sein. Zwei Bedingungen müssen zunächst erfüllt sein, damit sich überhaupt eine Relevanz ergibt. Erstens: der Jugendverband ist Träger einer Einrichtung oder eines Dienstes. Zweitens: Er beschäftigt in diesem Zusammenhang Fachkräfte.
Sollte dies der Fall sein, dann sollte in den letzten Jahren ohnehin schon eine Vereinbarung nach § 8a mit dem Jugendamt geschlossen worden sein. Diese müsste dann gegebenenfalls angepasst werden.